Juhu! Das ist er! Genau der richtige Stoff für deinen Lieblingsschnitt. Mit diesen süßen, kleinen Vögelchen einfach optimal. Und wie sie nur darauf warten endlich in was Tragbares verwandelt zu werden. Also ran an die Schere, schnipp-schnapp, schnell an die Ovi und fer…
AAAAAARRRRGGGHHHH!!!!! Warum fliegen die Vögel den auf einmal überkopf??
Oops, da ist wohl der Zuschnitt daneben gegangen.
Damit das nie wieder passiert, zeige ich dir, wie du deine Stoffe vor dem Zuschnitt vorbereitest, was das mit dem Fadenlauf zu tun hat und wie du das Schnittmuster auf den Stoff auflegst, ohne danach Schnappatmung zu bekommen 🙂 Zum Schluss findest du noch eine kleine Checkliste, damit sicher nichts mehr schief geht.
Stoff vorbereiten
Was denkst du, woran die meisten Projekte scheitern?
a) an der Nähmaschine
b) am (nicht) Bügeln
c) am Zuschnitt
Das ist zwar alles super wichtig, aber der erste, entscheidende Schritt passiert noch früher. Und zwar beim Stoff vorbereiten.
Bevor du an die Schere überhaupt denkst, müssen wir uns erstmal um deinen Stoff kümmern. Wenn du deinen Stoff jetzt vernachlässigst ist später Frust garantiert. Er möchte vorbehandelt werden.
Er möchte was? Vorbehandelt werden? Und was genau soll das sein?
Nun, das kommt wie so oft auf deinen Stoff an und was du daraus machst. Wird es ein Shirt, das ganz einfach in die Waschmaschine geworfen wird? Oder ein etwas feineres Stück, das nur per Hand gewaschen wird? Oder möchtest du einen gefütterten Blazer machen, der dann in die Reinigung soll? Was auch immer du vor hast, dein Stoff sollte vor dem ersten Schnitt einmal diese Behandlung bekommen.
Das liegt daran, dass gerade Stoffe, die einen Anteil an natürlichen Fasern haben, auf Wärme reagieren. Oder anders gesagt: Sie laufen ein.
Das ist extrem ärgerlich, wenn das passiert NACHDEM du stundenlang dein Herz in genau dieses Projekt gesteckt hast.
Bevor du jetzt aber alle Stoffe aus deinem Schrank holst und in die Maschine wirfst, hier ein paar Tipps:
- Versäubere die Ränder, damit du später kein Kuddel Muddel hast. Ich habe das schon mal weggelassen und drei Stoffe auf einmal in die Maschine geworfen. Nun, die Stoffe haben sich selbst zu einem komplett Neuen verwebt 🙂
- Nähe die Ränder mit großen Stichen zusammen, so verknittert der Stoff weniger. Große Stiche lassen sich dann leichter wieder entfernen.
- Wenn du einen besitzt, dann gönn deinem Stoff auch eine Runde im Trockner (vorausgesetzt die Pflegehinweise deines Stoffes erlauben es). Im Trockner gehen die Stoffe auch gerne nochmal ein und natürlich wollen wir das so gut es geht vor dem Nähen erledigt haben.
Baumwollstoffe werden manchmal mit Stärke behandelt verkauft, so dass sie sich stabiler und griffiger anfühlen. Wenn diese aber einmal im Schrank verstaut (und evtl. für ein paar Wochen vergessen) wurden, hast du gleich ein paar neue Mitbewohner und Löcher im Stoff. Motten…brrrr ?Außerdem vergisst man gerne, ob man den einen oder anderen Stoff schon gewaschen hat oder nicht.
Daher mein Tipp: Sobald der Stoff zu Hause ankommt, gleich vorbehandeln und erst dann ab in den Schrank. Besser noch, gleich auf den Zuschneidetisch 😉
Nachdem du deinen Stoff also gewaschen, getrocknet und gebügelt hast, geht es an den nächsten Schritt der Vorbereitung: dem Ausbreiten. Ich zeige dir, warum auch das wichtiger als der Zuschnitt an sich ist.
Stoff ausbreiten
Ist dir schon aufgefallen, dass in einem Schnittmuster immer nur eine Hälfte von einem Schnittteil ist? Wie z.B. nur ein Ärmel?
In den meisten Fällen reicht es, wenn du von jedem Teil nur ein Schnittmusterteil hast. Das gilt dann, wenn das Kleidungsstück symmetrisch ist. Natürlich könnte man jetzt anfangen, den Papierschnitt nochmal zu kopieren, aber das ist völlig unnötig. Stattdessen verdoppeln wir einfach unseren Stoff 🙂
Oder anders gesagt, wir falten ihn so, dass wir zwei Lagen bekommen. Und zwar längs. Hierbei treffen die äußeren Ränder aufeinander und die rechte Stoffseite, also die „schöne” Seite, liegt innen. Im Laden liegt der Stoff meistens auch so auf dem Stoffballen, um die schöne Seite vor Staub und Schmutz zu schützen. Die äußeren Kanten nennt man Webkanten. Die Mitte, also da wo der Stoff zurückgefaltet wird, ist der Stoffbruch.
Da ist es doch praktisch, dass man den Stoff gleich so vom Händler bekommt. Also, ab mit ihm auf den Tisch, Schnittmuster raus und her mit der Schere.
Ajajaj, nicht so schnell… Da war doch die Sache mit dem Fadenlauf. Genau, der schon wieder.
Exkurs Fadenlauf – die Kurzfassung
Als Fadenlauf bezeichnet man die die Kettfäden eines Stoffes, also die Fäden, die parallel zur Webkante laufen. Die Fäden, die quer dazu verlaufen, nennt man Schussfäden. Im Normalfall sind Schuss- und Kettfäden im rechten Winkel zueinander. Der Stoff ist dann gerade zum Fadenlauf.
Es kann aber durchaus vorkommen, dass sich ein Stoff beim Aufspannen auf den Stoffballen verzieht. Dann sieht er aus wie ein Parallelogramm. Meistens löst sich das Problem nach der ersten Wäsche. Dann können die Fäden entspannen und kehren in ihre Ausgangsposition zurück und formen wieder ein Rechteck. Wenn du aber den Stoff zugeschnitten hast, solange er verzogen war, dann hat dein Schnittteil nach der Wäsche eine ganz andere Form, was sich wiederum auf die Passform und den Fall auswirkt.
Bevor du das Schnittmuster überhaupt auflegen kannst, überprüfe ob dein Stoff gerade ist. Wie du das machst, erkläre ich dir im Fadenlauf erkennen Beitrag.
Nimm dir ruhig Zeit, um deinen Stoff zu falten. Benutze Stecknadel, um die Seiten zu fixieren. Da die Webkante oftmals steifer ist als das Gewebe an sich, will der Stoff manchmal nicht glatt liegen. Das Problem lässt sich leicht mit ein paar kleinen Einschnitten alle 5-10cm der Webkante entlang lösen. Das hilft dem Stoff sich zu entspannen. Und ein glücklicher Stoff ist eine super Grundlage für ein glückliches Nähprojekt.
So, jetzt ist aber soweit. Wir kommen endlich zum Herzstück! Das Schnittmuster auflegen.
Schnittmuster richtig auflegen
In deinem Schnittmuster wirst du einen Zuschneideplan finden. Auf ihm siehst du mit welcher Anordnung du am wenigsten Stoff brauchst. Achte auch nochmal darauf für welche Breite der Zuschneideplan ausgelegt ist. Die meisten Stoffe werden auf Webstühlen mit einer Breite von 140m-150cm gewebt, aber natürlich kann er auch eine andere Breit haben. Dadurch ändert sich der Stoffverbrauch. Genauso können verschiedenen Größen einen anderen optimalen Zuschneideplan und somit Stoffverbrauch haben.
Jedes deiner Schnitteile hat einen langen schwarzen Pfeil. Je länger der Pfeil umso besser. Dieser Pfeil repräsentiert den Fadenlauf. Dadurch weißt du wie das Schnittmuster auf den Stoff soll.
Tipp: Je länger der Pfeil, umso genauer kannst du dein Schnittteil ausrichten. Falls der Pfeil auf deinem Schnittmuster zu kurz ist, nimm einfach Bleistift und ein langes Lineal und verlängere den Fadenlauf.
Manche Schnittteile haben auch zwei Pfeile, oder besser gesagt ein Kreuz. Das bedeutet, dass du das Schnittteil auch quer zum Fadenlauf legen kannst. Das wären z.B. der Bund an einem Rock oder die Manschetten an einem Hemd.
Nun legst du die Schnittteile auf den Stoff und achtest darauf, dass der Pfeil parallel zur Webkante ist. Wenn ein Schnittmuster im Stoffbruch zugeschnitten werden soll, dann lege es an die gefaltete Kante von deinem Stoff. So bekommst du ein einzelnes Teil, das aber trotzdem aus linker und rechter Hälfte besteht. Wenn ein Teil im Bruch zugeschnitten werden soll, hat es an der Kante auch keine Nahtzugabe.
Die Webkante solltest du nicht mitschneiden. Sie ist steifer und wird sich anders verhalten als der Rest deines Stoffes.
Jetzt überprüfst du an beiden Enden von deinem Pfeil, ob der Abstand zum Bruch oder zur Webkante gleich ist. Korrigiere dein Schnittteil solange, bis es wirklich parallel ist. Und ja, an dieser Stelle sei pingelig!
Ich hatte schon Stoffe vor mir liegen, wo ich mir nur noch die Haare gerauft habe. Nichts hat gepasst. Nichts war zu Nichts parallel. Es war zum Heulen. Alles war krumm und schief und verzogen und einfach nur bäääh! Im Endeffekt ist der komplette Stoff in die Restekiste gewandert. Ich benutze ihn nur, wenn ich was Neues ausprobieren möchte oder eine neue Nähtechnik üben möchte. Aber darauf ein Kleidungsstück zu nähen, wäre reinste Zeitverschwendung gewesen. Das Teil hätte niemals schön an mir gehangen.
Um dein Schnittteil auf dem Stoff zu fixieren, kannst du Stecknadeln nehmen. Wenn dein Schnittmuster die Nahtzugabe schon beinhalten, dann nutze das gleich für die Stecknadeln. So passiert deinem Stoff garantiert nichts.
Du kannst auch kleine Gewichte nehmen. Diese kleinen Eisenteile hat mein Mann aus der Werkstatt mitgebracht. Ich habe keine Ahnung wofür sie gut sind, aber sie machen sich ganz gut als Schnittmusterbeschwerer 🙂
Ich habe mir auch ein paar dieser süßen Triangel Gewichte genäht. Eine super Anleitung findet ihr auf Barbaras Blog
Und damit deine Nähprojekte wirklich Top werden, solltest du vor jeden Zuschnitt beachten ob die Auflegemethode zu deinem Stoff passt. Welche das sind, verrate ich dir jetzt.
Der Klassiker – Mehrlagig in Gegenrichtung
Die meisten Zuschneideplänge zeigen dir die optimale Verteilung der Schnittteile gegenlegig. Das bedeutet so viel, dass es egal ist ob du ein Teil von unten nach oben und andere von oben nach unten legst.
Wenn dein Stoff von links und von rechts genau gleich aussieht, dann ist er der perfekte Kandidat für diese Methode. Für gewöhnlich sind es genau diese Stoffe, denen es egal ist, ob man alle Teile in eine Richtung legt oder umdreht. Das wären Uni Baumwollstoffe oder Leinen. Oder auch Stoffe mit symmetrischem Muster, wie Pünktchen oder Kreise. Das kann sehr viel Stoff sparen.
Die sichere Nummer – Mehrlagig in Musterrichtung
Ehrlich gesagt ist das meine bevorzugte Methode. Damit ist man einfach auf der sicheren Seite 🙂 Wenn dein Schnittmuster keinen Zuschneideplan für Musterrichtung hat, kannst du sogar Tetris spielen, bis du die optimale Lösung hast. Nähen ist halt ein vielfältiges Hobby 😀
Übrigens, du kannst die Teile auch vertikal umdrehen. Die Hauptsache ist, dass der Saum aller Teile in die gleiche Richtung liegt.
Du solltest auf diese Methode zugreifen, wenn:
- dein Stoff ein „stehendes“ Muster hat, das offensichtlich ein Oben und Unten hat. So verhinderst du, dass die Vögel plötzlich kopfüber fliegen.
- dein Stoff Strich oder Flor hat. Klingt irgendwie pervers, oder? Manche Gewebe, wie z.B. Cord oder Samt haben kleine Fasern, die aus dem Gewebe hervorstehen. Je nachdem in welche Richtung sie liegen, ändert sich ihr Farbton. Manchmal ist es nur dezent und fällt erst auf, wenn die Hose zusammengenäht ist, aber genau dann ist es schon zu spät.
- dein Stoff sehr glänzt. Gerade bei Satin solltest du aufpassen, da er aufgrund seiner Bindung das Licht anders bricht.
Die Aufwendige – Einlagig zuschneiden
Wenn ich sag aufwendig, meine ich in Wirklichkeit, nun ja, aufwendig. Du brauchst für diese Methode definitiv länger, da du jedes Schnittteil einzeln zuschneidest.
Einlagig zuschneiden musst du auf jeden Fall, wenn dein Schnittmuster asymmetrisch ist, wie z.B. ein One-Shoulder-Top. Die Regeln, ob du gegenlegig oder in Musterrichtung zuschneidest, sind die gleich wie oben geschrieben.
Werden linke und rechte Seite gleichzeitig geschnitten, wird der Stoff gefaltet mit der rechten Seite innen. Werden die Teile einzeln geschnitten, liegt die rechte Seite und das Schnittmuster mit der Beschriftung nach oben.
Diese Methode lohnt sich aber auch, wenn du ein Muster hast und du sicher gehen möchtest, dass das Gegenstück exakt gleich ist. Ein gutes Beispiel wäre Karo.
- Lege dein Schnittmuster auf.
- Schneide eine Hälfte deines Schnittpaares zu.
- Das Schnittmuster kannst du jetzt weglegen. Stattdessen nimmst du das gerade zugeschnittene Teil und drehst es um. Lege es zurück auf den Stoff. Jetzt musst du es nur solange verschieben, bis das Muster praktisch verschwindet.
Um Platz zu sparen kannst du den Stoff trotzdem doppelt falten. Hauptsache du schneidest nur durch eine Lage und legst das Teil nochmal auf die darunter liegende Lage.
Einlagig zuschneiden kann sich auch lohnen, wenn man ein Stoffmuster hat, mit einer Kombination aus großen und kleinen Mustern. Wenn du nicht genau planst, kann es sein, dass die dominanten großen Muster nur auf einer Seite sein werden und dich dadurch optisch aus der Balance werfen.
Wenn du ein schönes Muster hast, ist es super, wenn davon möglichst viel zu sehen ist. Da ist es schade, wenn es durch eine Naht zerschnitten wird. Allerdings ist es eher selten, dass der Musterrapport und die eigenen Größen in so einem Verhältnis sind, dass es ringsherum passt. Ma muss Kompromisse eingehen.
Am meisten wirst du von vorne oder von hinten gesehen werden. Und zwar dann, wenn du auf jemanden zugehst und wenn du dich wieder entfernst. Deshalb versuche darauf zu achten, dass die vordere Mitte ein schönes Muster hat, bzw. die hintere Mitte. Da wir eher selten seitlich zu jemandem stehen mit dem wir in Kontakt sind und unsere Arme einen Teil verdecken, können die Seitennähte eher vernachlässigt werden.
Achte also schon auf deine Motive bei der Schnittauflagen. Soll die Rose in die Mitte? weiter nach oben oder unten?
Wenn du dein Muster über eine Naht fortlaufen lassen möchtest, dann vergiss nicht, dass du auch Nahtzugaben brauchst. Wenn du z.B. die großen Blumen in der hinteren Mitte haben möchtest (was vom Design her nicht optimal wäre, aber wir tun jetzt mal so :-)), genügt es leider nicht diese einfach in der Mitte durchzuschneiden. Man muss das Muster 2-mal im Stoff suchen und separat mit Nahtzugaben zuschneiden. Je nachdem wie dicht der Musterrapport ist geht da viel mehr Stoff drauf als im Zuschneideplan vorgesehen.
Checkliste
Hüü, an was man alles vor dem Zuschnitt denken muss, nicht wahr? Da ist das Nähen das Einfachste. Aber mit der richtigen Planung vor dem Zuschnitt, kannst du deine Nähwerke gleich ein ganzes Stück aufwerten. Damit du den Überblick nicht verlierst, hier nochmal eine Infografik mit den perfekten Pinterest Maßen 🙂 Pin es dir in dein Nähboard und so hast du es gleich parat, wenn es an den Zuschnitt geht.
Wenn dein Schnittmuster die Nahtzugaben bereits enthält, könntest du jetzt praktisch mit dem Zuschnitt loslegen und einfach um das Papier herumschneiden.
Oder du überträgst erst die Markierungen auf deinen Stoff. Wie das geht zeig ich dir im hier 🙂