Schnittmuster für Röcke so ändern, dass sie wirklich sitzen

Warum eigentlich ein Schnittmuster anpassen?

Wenn man Hobbyschneider fragt warum sie mit dem Nähen begonnen haben, kommt ganz oft die Antwort: „Weil mir die Klamotten im Laden nie richtig gut passen.“

Und das ist eigentlich nicht weiter verwunderlich. Es gibt ca. 7,7Mrd Menschen auf der Erde und jeder ist einzigartig 🙂

Wenn man bedenkt, dass wir im Laden meistens aber nur ungefähr ein halbes Dutzend Konfektionsgrößen finden ist es eigentlich ganz klar, dass diese standardisierten Größen nicht alle Besonderheiten jedes Körpers perfekt abdecken können.

Vielleicht denkst du dir jetzt

Laut Hersteller muss ich doch nur meinen Brust-, Taillen- und/oder Hüftumfang messen und schon habe ich die richtige Größe.

Das ist aber leider nicht ganz richtig.

Schau dir z.B. die folgende Grafik mal genauer an.

Alle drei Figuren haben den gleichen Hüftumfang, dennoch sind erhebliche Figurunterschiede zu bemerken. Die Figur im lila Bikini hat zwar breitere Hüften, aber dafür einen flacheren Popo. Das bedeutet, dass sie hinten weniger und vorne mehr Stoff benötigt als die Normalfigur. Im Gegensatz dazu hat die Figur im gelben Bikini schmalere Hüften, aber dafür einen kräftigeren Popo, wodurch sie am Popo mehr Stoff benötigt wie vorne. Die Figur im grünen Bikini entspricht dem, was die Industrie als Normalfigur ansieht, wobei das einfach nur auf genormten Zahlen basiert.

Dies sind nur drei sehr einfache Figur Variationen. Und dennoch haben alle den gleichen Hüftumfang und dementsprechend das gleiche Schnittmuster. Aber wie du siehst ist es völlig unmöglich, dass ein Konfektionsschnitt all diese Besonderheiten abdeckt.

Ein Schnittmuster zu ändern ist eher die Regel als die Ausnahme

Viele Nähneulinge trauen sich nicht Änderungen am Schnitt vorzunehmen aus Angst diesen dadurch kaputtzumachen. Wenn das Ergebnis dann nicht perfekt passt ist der Schnitt „schuld“. Dabei sollte ein Schnittmuster nicht als der heilige Gral angesehen werden, sondern vielmehr als ein Ausgangspunkt.

Ein Schnittmuster anpassen ist völlig normal und je eher man sich mit ihnen vertraut macht umso eher erzielt man auch bessere Ergebnisse.

Wie kann man ein Rock Schnittmuster anpassen?

Es gibt grundsätzlich zwei Möglichkeiten ein Schnittmuster auf seine Passform zu überprüfen.

  1. Man misst sich selbst und vergleicht die Maße mit dem Schnittmuster und ändert den Papierschnitt noch bevor man den Stoff zu schneidet. Hierbei aber bitte nicht vergessen, dass der Schnitt immer etwas größer sein wird als angegeben, da beim Konstruieren Zugaben eingerechnet werden. Ohne diese Zugaben wären die genähten Teile zum Tragen und Atmen viel zu eng 🙂
  2. Man näht ein Probemodell aus einem günstigen Stoff wie Nessel und nimmt die Änderungen am Probemodell vor. Diese müssen dann zurück auf den Papierschnitt übertragen werden.

Natürlich ist auch eine Kombination beider Optionen möglich. Je nachdem wie teuer der eigentliche Stoff ist, lohnt sich der Mehraufwand mit dem Probemodell. So siehst man genau, wie der Schnitt passt und welche Änderungen vorgenommen werden müssen.

Die Schnittmuster von Stich’n’Study werden mit den Größen aus der deutschen Damenkonfektionsgrößentabelle konstruiert, wobei die Körpergröße 168cm ist. Wenn du größer oder kleiner bist solltest du dementsprechend auch die Länge deines Rockes korrigieren. Bei geraden Röcken kannst du die zusätzliche Länge einfach an den Saum anhängen oder wegnehmen. Wenn aber die Saumweite deines Rockes kleiner oder größer wird, würde sich die Saumweite ändern. Daher muss hier eine andere Methode her.

Rock Schnittmuster verlängern:

  1. Angenommen du bist 171 cm groß. In dem Fall müsste dein Rock um 3cm verlängert werden. Zeichne eine Linie im rechten Winkel zum Fadenlauf, ungefähr auf Höhe der Hüfte und noch eine oberhalb des Gehschlitzes jeweils auf dem Vorder- und Rückenteil.
  2. Schneide das Schnittmuster an diesen Stellen auseinander und lege ein Stück Papier unter die Schnittkante.
  3. Klebe es mit etwas Tesa fest.
  4. Zeichne den halben Differenzbetrag auf das angeklebte Stück Papier. In unserem Fall 1,5cm.
  5. Verlängere den Fadenlauf, so dass er auf dem angeklebten Papierstück zu sehen ist.
  6. Nun kannst du den losen Teil des Schnittmusters wieder an die angezeichnete Linie ankleben. Die Linie des Fadenlaufs hilft dir dabei, dass das Schnittmuster nicht seitlich verrutscht
  7. Korrigiere die Seitenlinien.

Gratuliere! Schnittmuster anpassen ist gar nicht so schwer, oder? 😉

Rock Schnittmuster kürzen:

  1. Zeichne wieder zunächst die Trennungslinien auf das Schnittmustert.
  2. Zeichne ober- oder unterhalb dieser Linie eine zweite Linie jeweils im Abstand des halben Betrages, um den du den Rock kürzen möchtest. In unserem Fall heißt das 1,5cm von Hüftlinie und 1,5cm von der Trennungslinie oberhalb des Gehschlitzes
  3. Schneide das Schnittmuster an den zuerst eingezeichneten Linien auseinander und verschieben das Schnittmuster so, dass es an die zweite Linie anstößt.
  4. Klebe die Schnittteile mit etwas Tesa fest.
  5. Korrigiere die Seitenlinien.

Rock Anpassung Taille zu Hüfte

Um die passende Größe für dein Schnittmuster zu finden, misst du am besten sowohl deinen Taillen- als auch Hüftumfang und vergleichst diese mit der Größentabelle des Schnittherstellers.

Wenn du z.B. in der Taille eine Größe 38 und bei den Hüften eine 42 bist, kannst du die Weite ganz einfach über die Seitennähte regulieren. Hierfür kannst du den Rock in der Hüftgröße zu schneiden und bevor du die Seitennähte fertig nähst, heftest du sie zusammen, so dass du den Rock anprobieren kannst. Nun steckst du den Rock an den Seiten ab und bekommst deine neue Nahtlinie.

Du kannst aber auch noch vor dem Zuschnitt bereits am Schnittmuster die Weite regulieren. Hierfür eignen sich besonders die Mehrgrößenschnitte, da hier die verschiedenen Größenlinien vorhanden sind und du eigentlich nur eine neue Nahtlinie zwischen den Größen einzeichnest.

Mehrgrößenschnitt anpassen
Taillenweite an Mehrgrößenschnitt ändern

Bitte beachte, dass du nicht mehr als 2 Nummer über die Seitenlinie änderst, da es sonst die Proportionen des Rockes sehr beeinträchtigen kann.

Schnittmuster anpassen für einen flachen Popo oder evt. etwas mehr Bauch?

Erinnerst du dich noch an die Grafik mit den verschiedenen Hüft-Po Proportionen? Wie du dir sicher denken kannst muss man auch bei diesen Fällen das Schnittmuster anpassen, damit der Rock auch wirklich gut sitzt.

Man unterscheidet Änderungen für

  • einen flachen bzw. größeren Popo
  • einen flachen bzw. größeren Bauch

Die Änderungen selbst sind nicht weiter schwer, aber woher soll man denn wissen, ob man eine dieser Änderungen benötigt?

Hierfür muss das Maßband her und evtl. eine helfende Hand.

Zunächst binde dir ein Gummiband um die Taille. So können wir sicherstellen, dass du immer von der gleichen Stelle misst. Nun miss bitte den Abstand zwischen Boden und Taille an der vorderen Mitte, an den Seiten und an der hinteren Mitte.

Vordere und hintere Rocklänge im Vergleich

Schnittmuster anpassen für großen/flachen Popo

Je nachdem ob dein Gesäß stärker oder weniger ausgeprägt ist, wirst du an der hinteren Mitte mehr bzw. weniger Stoff benötigen.

Von der Seitenlänge ziehe 1cm ab (dieser wird während der Konstruktion dazugeben, damit der Rockbund am Körper optisch gerade wirkt) und vergleiche den Wert mit dem Maß der hinteren Mitte. Wenn die Seitenlänge kürzer als die hintere Mitte ist, bedeutet das, dass du Mehrlänge dazugeben musst. Wenn die Seitenlänge länger ist als die hintere Mitte, musst du Länge aus dem Schnitt herausnehmen.

Vergleich hintere Rocklänge
Vergleich zwischen großem und flachem Popo

Mehr Länge für starken Popo

  1. Um die hintere Rockbahn zu verlängern zeichne wieder Trennungslinien ein ca. 16cm unterhalb der Taille und senkrecht zwischen Seitennaht und Abnäher. Falls dein Schnittmuster zwei hintere Abnäher hat kannst du auch einfach durch die Abnähermitte des äußeren Abnähers gehen. Wenn nicht platziere die senkrechte Linie genau zwischen Seitennaht und Abnäher.
  2. Schneide durch die Trennungslinien, aber nicht ganz durch die Seitennaht und nur ganz dicht bis an die waagrechte Linie.
  3. Nun kannst du den Schnitt um die benötigte Mehrlänge auseinanderschieben. Dadurch öffnet sich der zweite Abnäher, bzw. wird größer.
  4. Kontrolliere die Abnähertiefe. Sie sollte maximal 4cm sein. Wenn es mehr ist, dann zeichne den Abnäher neu ein und entferne an den Seiten die zusätzliche Weite.
  5. Korrigiere die Seitennaht.

Weniger Länge für flachen Popo

Um die Rockbahn zu kürzen gehst du zunächst gleich vor, aber anstatt die Schnittmusterteile auseinander zu schieben, schiebst du sie übereinander, um die Länge zu reduzieren. Dadurch wird der Abnäher kleiner werden. Wenn du ein Schnittmuster mit zwei Abnähern hast übertrage den inneren Abnäher an die Stelle wo der äußere war.

Schnittmuster anpassen für großen/flachen Bauch

Ähnlich wie bei der hinteren Rockbahn beeinflusst auch der Bauch ob zusätzliche Länge im Rock benötigt wird oder nicht.

Von der Seitenlänge ziehe wieder 1cm ab und vergleiche den Wert mit dem Maß der vorderen Mitte. Wenn die Seitenlänge kürzer als die vordere Mitte ist, bedeutet das, du musst Mehrlänge dazugeben. Wenn die Seitenlänge länger ist als die vordere Mitte, musst du Länge aus dem Schnitt herausnehmen.

Rocklänge Bauchumfang
Vergleich zwischen großem und flachem Bauch

Mehr Länge für starken Bauch

  1. Du kannst so vorgehen wie bei der Änderung für den starken Popo, allerdings zeichne die waagrechte Trennungslinie nur ca. 10cm unterhalb der Taille. Die Senkrechte Linie platzierst du zwischen der vorderen Mitte und dem Abnäher bei 1/10 Hüftumfang-1. Das heißt, wenn z.B. dein Hüftumfang 98cm beträgt, dann platzierst du die Linie bei 9,8-1 =8,8cm von der vorderen Mitte.
  2. Schneide wieder durch die Trennungslinie, aber gehe nicht durch die Seitennaht und nur dicht bis an die waagrechte Linie.
  3. Schiebe die Schnittmusterteile um die gewünschte Länge auseinander.
  4. Es bildet sich ein 2. Abnäher. Miss die Abnähertiefe und erweitere die Seitennaht um diesen Betrag.

Mehr Länge für flachen Bauch

  1. Zeichne wieder eine waagrechte Trennungslinie 10cm unterhalb der Taille sowie durch den vorderen Abnäher.
  2. Schneide wieder durch die Trennungslinie, aber gehe nicht durch die Seitennaht und nur dicht bis an die waagrechte Linie.
  3. Schiebe die Schnittmusterteile um den Betrag übereinander, den du reduzieren möchtest. Hierdurch wird der Abnäher etwas kleiner.

Ok, die Schnittmuster Änderungen sind gemacht

Klasse!! Du kannst stolz auf dich sein 🙂

Wenn dein Rock ein Futter besitzt vergiss bitte auch nicht die gleichen Änderungen an den Futter Schnitteilen vorzunehmen

Natürlich gibt es noch zahlreiche weitere Variation, aber wenn du diese Maße überprüfst, dann solltest du eigentlich schon mal ein recht ordentliches Probemodell erhalten.

Wenn du gerne mehr zu dem Thema erfahren möchtest, kann ich dir das Buch Fitting and Pattern Alteration: A Multi-Method Approach to the Art of Style Selection, Fitting and Alteration uneingeschränkt empfehlen. Du findest darin praktisch Antworten zu allen nur erdenklichen Schnittmuster Änderungen.

Hat dir der Beitrag gefallen? Würdest du gerne mehr zum Thema Schnittmuster Änderungen erfahren? Wenn ja, dann schreib mir doch in die Kommentare, welches Kleidungsstück wir als nächstes anschauen sollen 🙂

4 Gedanken zu „Schnittmuster für Röcke so ändern, dass sie wirklich sitzen“

  1. Mmhhh..ich hab das Problem eher in der Taille. Da müsste ich lt. Burda Gr. 44 nehmen..( was hinterher immer viel zu gross ist) Hüftweite müsste ich 38 nehmen…Nähe da aber 36..und gleiche individuell über die NZ an. Länge muss immer viel kürzer. Bei ALinie oder geradem Rock Teil ist mir das klar…aber was mache ich bei einem weit ausgestellten Rock? Ich wollte jetzt keine Saumzugabe geben und statt dessen Rollsaum machen…aber dann ist immer noch zu viel Länge da..bin 163 cm mit kurzen Beinen..☹️??

    Antworten
    • Liebe Veronika,
      wenn ich richtig verstehe ist deine Taille wesentlich stärker als deine Hüfte, richtig? Du schreibst Taille 44, Hüfte 36. In dem Fall würde ich wahrscheinlich weniger gerade Röcke tragen und wirklich mehr Richtung A-Linie und ausgestellte Röcke gehen und eigentlich gar keine Abnäher nähen.
      Wenn du gerne die Saumweite behalten möchtest, dann kürze den Schnitt einfach so wie oben beschrieben. Je weiter der Rock ausgestellt ist, umso weniger Saumzugabe sollte er enthalten. Das mit dem Rollsaum ist eine sehr gute Idee. Wenn du ihn doch umnähen möchtest, versuche es doch mal mit 1,5cm Saumzugabe und diese nähst du mit großen Stichen durch die einfach Stofflage ab. Jetzt kannst du den Saum gut umbügeln, die Naht bildet eine Art Stütze und hilft den Stoff an der Stelle umzuschlagen. Wenn du das hast, schlägst du den Stoff noch einmal ein und steppst bei 0,5cm ab. Da der Saum bei einem weiten Rock viel im schrägen Fadenlauf ist, kannst du ihn ganz gut manipulieren 🙂 Natürlich kannst du auch einfach parallel zum Saum x cm kürzen. Du hast dann halt weniger Saumweite, aber das muss ja nicht unbedingt negativ sein 🙂 Soviel ich weiß bietet Burda auch Petite Schnitte an, diese sind für kleinere Körpergrößen konstruirt und von vornerein kürzer. Vielleicht findest du dort noch einen Schnitt der dir gefällt.
      Ich hoffe, das hilft ein bisschen 🙂

      Liebe Grüße
      Éva

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    • Liebe Rita,

      vielen Dank für das Feedback 🙂 Eine Hosen Anleitung habe ich noch nicht, aber da es dieses Jahr auf jeden Fall mindestens einen Hosenschnitt geben wird, kommt natürlich auch die Anleitung zur Schnittanpassung dazu 😉 Lass mich gerne wissen, welche Themen noch interessant wären.

      Ganz liebe Grüße
      Éva

      Antworten

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